Dr. Birtel, Vorstandsvorsitzender der STRABAG SE
Für Thomas Birtel, dem Vorstandsvorsitzenden der STRABAG SE, ist ein höherer Frauenanteil auch aus „ökonomischer Sicht geboten“. Wie er seinen Baukonzern für Frauen interessanter machen will und wann es die erste Frau im Vorstand der STRABAG geben wird verrät er Frau & Karriere.
Dr. Birtel, 175 Jahre lang war Bau bei STRABAG vorrangig eine Männerdomäne. Warum setzen Sie nun auf Frauen?
Frauen zu fördern, sowie ihre Fähigkeiten – gerade in den technischen Bereichen –mehr wertzuschätzen ist nicht nur eine Sache der Fairness, sondern auch aus ökonomischer Sicht geboten. Die Baubranche weist einen Mangel an qualifiziertem Personal auf und Frauen stellen einen großen Teil der erwerbstätigen Bevölkerung dar. Zudem geht Vielfalt im Führungsteam tendenziell mit besseren wirtschaftlichen Ergebnissen einher.
Welche Maßnahmen wollen Sie nun konkret umsetzen?
Generell müssten die externen Rahmenbedingungen für den Konzern geändert werden, doch kann STRABAG als große Arbeitgeberin zu einer Veränderung der Branchenstruktur beitragen. Im Unternehmen planen wir, im kommenden Jahr in den folgenden drei Bereichen Maßnahmen auszuarbeiten: gezielte Suche und Auswahl von weiblichem Fachpersonal, geschlechtsunabhängige und systematische Förderung von High Potentials im Rahmen der Personalentwicklung sowie Abbau von Interessendifferenzen hinsichtlich Karriere und Familie.
Gibt es spezielle Recruiting-Maßnahmen?
Wir sprechen gezielt Absolventinnen technischer und kaufmännischer Fachrichtungen höherer Lehranstalten und Hochschulen an. Wir dürfen aber die Tatsache nicht ausblenden, dass nur 20 Prozent der Absolventinnen und Absolventen technischer Hochschulausbildungen weiblich sind.
Das scheint eine schwierige Mission zu werden…
Es ist ein gesellschaftspolitisches Thema, dass Frauen verstärkt für technische Berufe zu begeistern und die Rahmenbedingungen und Strukturen so zu verändern sind, dass Frauen – wie auch Männern – die Vereinbarkeit von Karriere und Familie erleichtert wird. Dazu können wir aber auch einen Beitrag im Unternehmen leisten. Wir stellen uns nicht die Frage, ob Frauen und Männer die gleichen Chancen haben – denn das haben sie. Vielmehr fragen wir uns, ob Frauen die gleichen Möglichkeiten haben, diese Chancen auch wirklich wahrzunehmen. Hier gilt es, den Hebel anzusetzen und wenn uns das zu verändern gelingt, dann haben wir auch einen klaren Wettbewerbsvorteil.
Wie wollen Sie die Chancen für die Frauen greifbarer machen?
Der dritte Maßnahmenbaustein bezieht sich auf die Optimierung der Vereinbarkeit von Karriere und Familie. Das Verfolgen einer Karriere belastet nachweislich die anderen Lebensbereiche – die Beziehung, die Familie. Nicht jeder Mensch ist bereit, das Familienleben der Karriere unterzuordnen. Unsere Aufgabe ist es, zu verhindern, dass es notwendig ist, hier eine Entweder-Oder-Entscheidung treffen zu müssen.
Alle diese Auswirkungen betreffen aber doch auch Männer?
Ja, das ist richtig – bei uns ist die Vereinbarkeit von Karriere und Familie ein Thema sowohl für Mütter als auch für Väter.
Hat ihr Frauenförderungsprogramm ein quantifiziertes Ziel?
Eine fixe Zielquote können wir nicht festlegen – dafür ist die Branche noch für zu wenige Frauen attraktiv. Wir setzen auf eine Flexi-Quote: Ziel ist eine jährliche Steigerung, die wir natürlich auch messen und veröffentlichen werden. Derzeit sind rund 13 Prozent der Beschäftigten im Konzern und 8 Prozent des Managements weiblich. Mittelfristig soll sich der Anteil an Frauen im Management dem im Konzern angleichen.
Das heißt, auch im Vorstand sollen Frauen einkehren?
Auf kurze Sicht soll der Vorstand nicht aufgestockt werden – aber bei den nächsten anstehenden Besetzungen wird sicher verstärkt darauf geachtet werden, ob es geeignete Bewerberinnen gibt.
STRABAG ist einer der führenden europäischen Baukonzerne. Im Geschäftsjahr 2012 erbrachte sie mit circa 74.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Leistung von € 14,04 Mrd. Ausgehend von den Kernländern Österreich und Deutschland ist das Unternehmen über zahlreiche Tochtergesellschaften in ost- und südosteuropäischen Ländern, in ausgewählten Märkten Westeuropas und vereinzelt auf anderen Kontinenten tätig. Es bietet seine Leistungen unter mehreren Marken an, darunter STRABAG und Züblin. Diese Dienstleistungen umfassen sämtliche Bereiche der Bauindustrie und decken die gesamte Bauwertschöpfungskette ab.