Gleichstellung in der Kommune als Arbeitskreisthema
Im Arbeitskreis 3 beim Österreichischen Städtetag ging es um Repräsentation, Frauenquoten und die Notwendigkeit von leeren Stühlen.
Der 70. Städtetag 2021 in St. Pölten wurde heute, Donnerstag, in vier Arbeitskreisen fortgesetzt.
Der Arbeitskreis „Frauen vor! Gleichstellung in der Kommune“ behandelte die fehlenden Frauen in der Kommunalpolitik, aber auch generell die Frage, an welchen Hebeln gedreht werden kann, damit das Leben vor Ort frauenfreundlicher wird.
Am Podium diskutierten unter Vorsitz der Innsbrucker Stadträtin Elisabeth Mayr (SPÖ): Landtagsvizepräsidentin Vizebürgermeisterin Sandra Schoch aus Bregenz (Grüne), Marion Böker, Direktorin der Beratung für Menschenrechte und Genderfragen boeker-consult in Berlin sowie Sonja Dörfler-Bolt vom Österreichischen Institut für Familienforschung. Janine Heinz vom SORA Institut und Nicole Lassal, die Städtische Gleichstellungsbeauftragte und Leiterin der Gleichstellungsstelle für Frauen in München wurden online zugeschaltet. Es moderierte Martina Madner von der Wiener Zeitung.
Kampagne „Macht teilen!“
Die Innsbrucker Stadträtin Elisabeth Mayr stellte eingangs die Frage, wie Frauen Allianzen bilden und Mehrheiten finden können, um die Gleichstellung in den Kommunen voranzubringen. Sie stellte die fraktionsübergreifenden Kampagne „Macht teilen!“ anlässlich der Tiroler Gemeinderatswahlen 2022 vor und erklärte: „Wir Frauen sind die Mehrheit der Bevölkerung – gelingt es, uns über Fraktionsgrenzen hinweg auf eine Forderung zu verständigen, haben wir die Mehrheit. Diese Vorstellung gibt mir Kraft.“
Erste Ergebnisse des Städtebund-Gleichstellungsindex von SORA
Janine Heinz präsentierte erste Ergebnisse des vom SORA-Institut erhobenen Städtebund-Gleichstellungsindex: dieser Index zeigt auf, wo jede einzelne Gemeinde in Österreich in Sachen Gleichstellung steht. „Sowohl Städte als auch Gemeinden besitzen das benötigte Werkzeug, um Gleichstellung voranzutreiben. Der Index bietet die Möglichkeit zu schauen, an welchen Schrauben man drehen kann, um Gemeinden frauenfreundlicher zu machen und etwa Abwanderung zu verhindern“, erklärte Heinz. Mitte Dezember wird der Städtebund-Gleichstellungsindex öffentlich präsentiert.
Freiwillige Selbstverpflichtung bei der Besetzung von Gremien
Nicole Lassal, Städtische Gleichstellungsbeauftragte München, stellte das Münchner Modell der freiwilligen Selbstverpflichtung zur Gleichberechtigung bei der Besetzung von Gremien vor. Es wurde 2018 in München beschlossen, bei der Senatswahl 2020 konnte so bereits eine Steigerung des Gesamtfrauenanteils in Gremien um 8 Prozent erreicht werden. Lassal: „Wir zielen auf eine Geschlechterquote, und nicht auf eine Frauenquote – wenn sich die Fraktionen nicht daran halten, müssen sie Begründungen abgeben. Das ist ein gewisser Druck, etwa um Männer in soziale Gremien zu bringen und Frauen im Finanzbereich den Weg zu ebnen.“
Vertretung in der Kommune als Menschenrecht
Marion Böker (boeker-consult) pochte darauf, dass das Recht in der Kommune vertreten zu sein, ein Menschenrecht sei. Neben Empfehlungen in Richtung Aufklärung, Empowerment, veränderte Arbeitsstrukturen, Transparenz und Mindestquoten appelliert sie: „Männer müssen viel mehr in die Pflicht genommen werden, es ist ihr Job, Gleichstellungspolitik zu machen.“
Repräsentanz auch eine Klassenfrage
Publikum und Expertinnen diskutierten über verbale Gewalt und Sexismus in der Politik, Nachwuchsfragen sowie die Repräsentation von MigrantInnen. Stadträtin Elisabeth Mayr betonte, dass Repräsentanz auch eine Klassenfrage sei. „Es geht darum, wer es sich leisten kann, in die Politik zu gehen. Bei der Entlohnung von PolitikerInnen brauchen wir eine bundesweit einheitliche Regelung, dies gilt auch für die Anrechnung von Pensions- und Versicherungszeiten.“
Mentorinnenprogramm in Vorarlberg
Landtagsvizepräsidentin Sandra Schoch stellte das Mentorinnenprogramm vom Land Vorarlberg vor, das Frauen den Einstieg in die Kommunalpolitik erleichtert. In ihrem Abschlussstatement empfahl sie, Quoten gänzlich neu zu betrachten: „Wir müssen die Diskussion umdrehen und deutlich sagen: diesen Männerüberschuss können wir nicht länger hinnehmen. Manchmal müssen Stühle eben leer bleiben, bis eine Frau kommt und sie einnimmt. Und diese Frauen gibt es.“
Wien/St. Pölten (OTS)