Müssen sich Frauen männlich verhalten, um erfolgreich zu sein?

Wir trainieren, coachen und auditieren jährlich ca 1.000 Führungskräfte und daher kann ich nur aus unserer Erfahrung sprechen. Eine gute Führungskraft verfügt über eine gute Mischung an Menschen- und Ergebnisorientierung. Allein mit Menschenorientierung kommt man nicht weit, mit Ergebnisorientierung ohne Menschenorientierung sehr wohl. Frauen tendieren mehr zur Menschenorientierung und scheitern aufgrund dessen manchmal.

Muss eine Frau in der gleichen Position mehr leisten als ein Mann um anerkannt zu werden?

Nein, das denke ich nicht.  Entscheidend scheint mir die Kompetenz der Führungskraft in der Ebene darüber zu sein. Wer Leistung einfordert und sie auch kompetent evaluieren kann – fordert sie von Mann und Frau – ohne Unterschied.

Welche Charaktereigenschaften und Fähigkeiten sind für Frauen wichtig auf dem Weg in Führungspositionen?

Charakterlich können erfolgreiche Führungskräfte sehr unterschiedlich sein. Folgende Fähigkeiten oder auch Grundsätze aber unabdingbar:

–   Die Fähigkeit Aufgaben zu delegieren – dies müssen Frauen oft erst lernen.
–   Die Stärken der Mitarbeiter erkennen und Sie zu ermutigen (Das können Frauen meist besser als Männer)
–   Optimistisch zu bleiben – Frauen lassen sich manchmal zu schnell       entmutigen.

Gibt es Fehler, die Frauen eher machen als Männer?

Frauen warten zu lange mit notwendigen Personalentscheidungen – zB. Kündigungen. Manchmal fällt es Ihnen auch schwer zu delegieren, da Sie glauben alles selbst erledigen zu müssen: Klassischer Denkfehler: „Bis ich es erklärt habe – habe ich es selber schon 2 mal gemacht“

Haben Frauen auch manchmal Vorteile?

Frauen spüren schneller, wenn die Stimmung im Team kippt oder wenn jemand unzufrieden oder unglücklich ist. Sie besitzen auch die Fähigkeit in vielen Perspektiven und Graustufen zu denken – was zwar für die Wirtschaft bereichernd wäre, aber die Entscheidungsgeschwindigkeit manchmal reduziert.

Behindern sich Frauen vielleicht auch gegenseitig?

Selbstbewusste Businessfrauen nicht. Es ist mir nur leider manchmal passiert, dass Frauen nicht verstehen, dass Sie nicht nur „nehmen dürfen“ (dies dürfen nur Kinder), sondern für Gefälligkeiten auch etwas schulden. Diese Netzwerkfähigkeit ist aber unerlässlich in der Wirtschaft.

Sind Frauen selbst schuld, dass Sie nicht die Karrieren machen, die viele Männer machen?

Ich würde nicht von Schuld sprechen – aber viele Frauen möchten den „Preis“ für eine Karriere gar nicht zahlen. Es gibt keine interessanten Führungspositionen mit weniger als 60 Wochenarbeitsstunden und ohne Konflikte. Ab einer bestimmten Einkommensstufe wird die Luft dünner und viele möchten diese Jobs. Es herrscht Krieg in den Großkonzernen – das kann ich leider aus eigener Erfahrung und aus Erfahrung in den Coachings sagen. Ich bin froh nicht mehr soviel Lebenszeit mit unnötigen Grabenkämpfen vergeuden zu müssen.

Gibt es Branchen, in denen es Frauen leichter bzw. schwerer haben?

Schwerer sicher in männerdominierten Branchen – leichter vielleicht in den Sozialen Bereichen oder im Bereich Bildung.

Frauen sind heute mindestens genauso gut ausgebildet wie Männer, doch in Führungspositionen sind sie noch immer rar – gibt es zu wenige Frauen, die Verantwortung übernehmen wollen/Entscheidungen treffen wollen oder woran liegt das?

Es liegt oft am fehlenden Selbstmarketing und am fehlenden Karrierewillen. Es ist vielen Frauen oft der Inhalt der Arbeit wichtiger, als der Status. Und der Preis ist eben hoch – wie oben beschrieben.

Kind und Karriere – ist das ein Widerspruch?

Meiner Meinung nach ja, da es keinen interessanten Job mit Gestaltungsspielraum unter 60 Wochenarbeitsstunden gibt. In der Selbständigkeit lässt sich Kind und Karriere noch am leichtesten verbinden.

Was muss sich in Österreich ändern, damit mehr Frauen Führungspositionen besetzen?

Ausreichende Kinderbetreuung
Professionelle Mentorensysteme
… aber es beginnt viel früher: mit dem Thema Selbst-WERT und Selbstvertrauen

Was entgeht uns als Gesellschaft, wenn wir Frauen auf dem Weg in Führungspositionen nicht unterstützen?

Ganzheitlichkeit und Nachhaltigkeit werden wir mit der klassischen Wachstumsstrategie nicht verwirklichen können – ich glaube wir werden mit unserem derzeitigen Wirtschaftsdenken „Wachsen um jeden Preis“ scheitern. Aber ich bin optimistisch, dass wenn die Krise gross genug ist, die Frauen das Ruder übernehmen dürfen.