Das Naturhistorische Museum Wien nimmt den Internationalen Frauentag am 8. März 2020 zum Anlass, seine vielseitigen Frauen vor den Vorhang zu holen. Wissenschaft und Forschung waren immer schon auch in weiblicher Hand, auch wenn die Leistungen von Frauen lange unbemerkt und im Schatten der Männer blieben.
Die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau ist ein zentraler Wert und eine der wesentlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Das NHM Wien hat insgesamt 322 Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer, davon sind 150, also 46 %, weiblich. Von diesen 150 Mitarbeiterinnen sind wiederum 124 fest angestellt und 26 freie Dienstnehmerinnen. Unter den 124 fest Angestellten befinden sich 64 Vollzeit- und 60 Teilzeit-Mitarbeiterinnen, wobei von letztgenannten wiederum 14 über durch Drittmittel finanzierte Projekte am Museum angestellt sind. 2 von 7 BetriebsrätInnen sind weiblich.
Von den 10 Wissenschaftlichen Abteilungen des Museums werden 3 von Frauen geleitet, 4 von 5 Fachabteilungen sind unter weiblicher Führung. Von den 52 WissenschafterInnen des Museums sind 27 weiblich (52 %), von insgesamt 141 AkademikerInnen sind 87 Frauen (61 %).
Seit der Gründung der Sammlung im Jahr 1750 durch Kaiser Franz I. Stephan von Lothringen, den Gemahl Maria Theresias, die quasi als Schutzherrin über die beiden ehemals kaiserlichen Sammlungen zwischen den großen Museen wacht, haben Forscherinnen, die oftmals in Vergessenheit geraten sind bzw. deren Tätigkeit gar nicht entsprechend gewürdigt wurde, die Geschichte des Hauses maßgeblich geprägt.
An der österreichischen Brasilien-Expedition von 1817 nahm die Frau des Expeditionsleiters Johann Christian Mikan, Johanna Maria, teil. Mikan hatte sie erst drei Tage vor der Abfahrt geheiratet. Johanna Maria Mikan präparierte Tiere, vor allem Vögel, sie kümmerte sich um die lebenden Tiere und kochte für die Expeditionsteilnehmer während der Reisen in den Urwald. Die unter „Mikan“ laufenden Vögel im NHM Wien wurden von ihr präpariert.
Als erste Frau, die sich 1842 auf eine Forschungsreise begab, ging Ida Pfeifer (1797-1858) in die Sammlungsgeschichte des NHM Wien ein. Sie begann erst im Alter von 45 Jahren zu reisen, nachdem ihre Söhne erwachsen waren, und war bis zu ihrem Tod fast ständig unterwegs. Sie gilt als eine Frau, die sich ihre Fahrten und ihren Lebensunterhalt durch Publikationen ihrer Reiseerlebnisse und den Verkauf ihrer – während der Reisen angelegten – zoologischen, botanischen und ethnographischen Sammlung finanzierte. Weder Überfälle noch Krankheiten hinderten sie, insgesamt 240.000 km zur See und rund 32.000 km zu Land zurückzulegen. Sie war auch in Gebieten unterwegs, die vor ihr kein Europäer gesehen hatte. Zahlreiche von ihr angelegte Kollektionen von Tieren, Pflanzen und Mineralien wurden von den Vereinigten k.k. Naturalien-Cabineten angekauft und befinden sich heute im NHM Wien.
Josefine Kablik (1787-1863), eine böhmische, k. k. österreichische Botanikerin und Paläontologin, war bereits zu Lebzeiten als Botanikerin angesehen. Sie beteiligte sich an der 1825 gegründeten Opizschen Pflanzentauschbörse und knüpfte Kontakte zu Museen. Sie sammelte vor allem im Riesengebirge. Im NHM Wien werden Herbarbelege von ihr aufbewahrt.
Einen ehemaligen Custos am Botanischen Hofcabinet verärgerte, dass sein Nachfolger Eduard Fenzl 1840 „sich das dicke Fräulein Reichenbach als Gehülfin angewoben hat, daß diese Fräulein mitten unter den jungen Herrn auf dem Museum sitzt, und damit beschäftigt ist, die Dubia (also die unbestimmten Objekte, Anm.) zu bestimmen“. Hermine Reichenbach (1819-1902) beschäftigte sich mit Pflanzenanatomie und veröffentlichte ihre Forschungsergebnisse anonym.
Zu jenen frühen Wissenschafterinnen, deren Arbeit und Karrieren eng mit der Geschichte des NHM Wien verknüpft sind, zählt auch Martha Cornelius-Furlani (1886-1974), die 1910 als erste Frau an der Universität Wien in Geologie promovierte und nach Beendigung des 2. Weltkrieges 1945 als Stipendiatin im NHM Wien tätig wurde. Als eine der wenigen frühen Geologinnen blieb sie während ihres gesamten Berufslebens wissenschaftlich tätig und verfasste gemeinsam mit ihrem Ehemann regelmäßig wissenschaftliche Publikationen. Bis kurz vor ihrem Tod arbeitete sie in der in der Geologisch-Paläontologischen Abteilung des NHM Wien.
Heute kann das NHM Wien nicht auf seine starken Frauen verzichten: Nicht nur Mineraloginnen, Geologinnen, Paläontologinnen, Prähistorikerinnen, Anthropologinnen, Zoologinnen, Botanikerinnen, sondern auch Wissenschaftshistorikerinnen, Provenienzforscherinnen, Präparatorinnen, Museumspädagoginnen, Ökologinnen, Bibliothekarinnen, Eventmanagerinnen, Touristikerinnen, Digitalisierungsexpertinnen, Fotografinnen, PR-Frauen und andere Professionistinnen tragen zum Erfolg des NHM Wien als Museum und als Wissenschaftsinstitution bei.
Als ersten Schritt einer neuen Social Media-Reihe werden zum Internationalen Frauentag am 8. März 2020 acht Wissenschafterinnen in von Kommunikationsfachfrauen gestalteten Kurzvideos auf Social Media Plattformen vor die Kamera geholt, um damit auch die weltweite Awareness-Kampagne #WomenInScience zu unterstützen. -Wien(OTS)
Fotocredit:
NHM Wien, Alice Schumacher